Sunday, 18 January 2009

Open Dialogues: Performance Saga - Lausanne: 12th Feb - 14th Feb 2009

Open Dialogues: Performance Saga will return for the Performance Saga Festival - Lausanne, at Arsenic Centre d'art scénique contemporain. 

Collaborators:  writers Gérard Mayen (F), Béatrice Bucher-Mayor (CH), Koffi Yao (CI/F), translator Jean-Marie Clarke (F/D), and Open Dialogues: Rachel Lois Clapham and Mary Paterson (UK).

Open Dialogues: Performance Saga - Lausanne is a responsive writing project created for the “Performance Saga  Fesitval” in Lausanne, Switzerland, February 2009.  The Performance Saga Festival invites artists from different generations to respond to each other’s work, and Open Dialogues: Performance Saga invites five writers to respond to these performances and associated discussions. Texts will be published in print and online, in English and French.

Check back here soon for more information, or get in touch: mary@opendialogues.com

Programme Details:

12 FEB 7 pm
projection Performance Saga Interview with Joan Jonas
Talk with Tania Bruguera (CU), Performances of Katia Bassanini (CH/USA), Robin Deacon (UK)

13 FEB 7 pm
projection Performance Saga Interview with Carolee Schneemann
Performances of Stuart Brisley (UK), Markus Gössi (CH), Monika Günther/Ruedi Schill (CH/D)

14 FEB 6 pm
projection Performance Saga Interview with Alison Knowles
Performances of Esther Ferrer (F), Mirzlekid (CH), Simone Rüssli (ES/CH), Andrea Saemann (CH)

curated by Katrin Grögel, Andrea Saemann
in collaboration with Arsenic Centre d'art scénique contemporain Lausanne/Sandrine Kuster

Friday, 16 January 2009

Wertschöpfung von Katrin Grögel

Wagner- Feigl-Forschung, 'Die Enzyklopädie der Performancekunst ' Performance Saga Festival - Bone 11, Schlachthaus Theater, Frietag 5 Dezember 2008. Photograph (c) Martin Rindlisbacher

Wagner-Feigl-Forschung schlossen ihre Performance mit einer von Otmar Wagner mikroskopisch untersuchten Sauerei und einer flammenden Rede von Florian Feigl über den „Wert der Enzyklopädie der Performancekunst“, die einem Manifest gleichkam. In Florians Proklamation meinte ich die Motivation für das gesamte Unternehmen der Wagner-Feigl-Forschung zu erkennen. Denn diese arbeitet ebenso wie Performance Saga an der Frage, wie man sich heute mit Performancegeschichte beschäftigen könnte. Ich sass also im Publikum wie auf Kohlen, innerlich führte ich ein Streitgespräch mit Florian und Otmar.

Dabei war mir nicht klar, ob die beiden Künstler/Forscher das, was sie da tun und sagen, ernst oder ironisch meinen. Denn im Grunde kann ich den Rückgriff auf eine Vorstellung von einem universalen Wissen als Totalität, wie es der Konzeption einer Enzyklopädie unterliegt, nur als Wissenschaftsparodie verstehen. Es ist mir gar nicht möglich, mit dieser Behauptung anders umzugehen. Und ebenso wenig ist es mir (als Kunsthistorikerin) möglich, ein auf zukünftige künstlerische und wissenschaftliche Praxis und Analyse gerichtetes Manifest als zeitgenössische Textgattung ernst zu nehmen. Kann man anders als ironisch behaupten, „Denken in Zusammenhängen“ mittels eines Systems von Klassifizierungen quasi automatisch zu generieren? Wer könnte wahrhaftig davon reden, „der Performancekunst ihre Sprache zurückzugeben“? Das geht doch nur, wenn Mann unter der Uniformierung des dunklen Anzugs den direkt an die Brust gehefteten Sheriff-Stern trägt, oder?

Und dennoch: ganz so einfach ist es für mich nicht, mich von den Anwürfen zu distanzieren, die meinem Berufsstand da angetragen werden und zu denen die „Enzyklopädie der Performancekunst“ ein Gegenentwurf zu sein vorgibt. Natürlich kenne ich das „Exklusivitätsprinzip der Theorie“. Aber ich kenne auch eine Reihe von Forschenden, die nicht in diese Schublade passen. Und darüber hinaus kenne ich eine ganze Menge Theorie, die zwar aus dem geschlossenen System der akademischen Exklusivwerkstätten kommt, aber wirklich inspirierend ist. Ich würde sie in meiner Handbibliothek nicht missen wollen. Und was meinen Anteil an der Konzeption von Performance Saga angeht, so wäre diese Arbeit ohne den Hintergrund der Lektüre und akademischen Diskussion von sehr viel Performancetheorie undenkbar gewesen. Gerade die (mittlerweile kanonische) Performancetheorie hat mich gelehrt, dass subjektive Neugier und Professionalität sich nicht ausschliessen. Schreibendes, redendes, aufführendes Handeln im Umgang mit Performancegeschichte gewinnt allein durch das persönliche Interesse der Forschenden an Aktualität und Relevanz.

Auf die Gefahr hin, dass ich Florian Feigl und Otmar Wagner auf dem Leim gehe oder auf den Schlips trete: Die Methoden und Kategorien ihrer (persönlichen) „Enzyklopädie der Performancekunst“ sind für Dritte unbrauchbar. „Der Wert der Enzyklopädie der Performancekunst“ besteht meines Erachtens darin, dass sie einen gnadenlos absurden Universalitätsanspruch auf eine Weise behauptet, die zugleich Widerspruch und Gelächter provoziert; sie erhitzt die Gemüter und nährt den Diskurs.

Katrin Grögel ist Ko-Kuratorin von Performance Saga.

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Creation of Value
by Katrin Grögel

The very last part of the performance by Wagner-Feigl-Forschung/ Research consisted of an action in parallel: while Otmar Wagner was microscopically exploring a previously produced mess, Florian Feigl was giving a committed speech on the value of ‘The Encyclopaedia of Performance Art’, which sounded to me like a manifesto. I wanted to detect the basic motivation of their research project in listening to Florian’s declaration. For Wagner-Feigl-Forschung/ Research searches for an alternative approach to the history of performance art, just as we do in our Perfomance Saga project. So, I was sitting in the audience on tenterhooks, my mind was racing, conceiving an argument with Florian and Otmar.

Yet, I wasn’t sure if the action and the speech on stage ought to be taken seriously or was ironic. I can hardly believe that the appropriation of the historic notion of universal knowledge, as addressed by the term Encyclopaedia, might be anything but a parody. I am incapable of perceiving this claim in any other way. Neither can I (as an art historian) acknowledge the format of the manifesto, directed towards future artistic and scientific practice and analysis, as a contemporary genre of text. Can anybody seriously claim to introduce ‘contextualization’ by means of establishing a system of classification? Who could truthfully utter the objective to ‘return to performance art its own unique and creative language’? If it wasn’t for the sherrifs’ bagdges pierced through the skin beneath dark suit uniforms, would these serious looking men attempt to hold our attention about performance art at all?

Nevertheless, I was intrigued by the offence against my profession expressed by Wagner-Feigl Forschung/ Research. I recognise the ‘principle of exclusiveness’, indeed. But I also know a number of researchers that won’t fit into this pigeonhole. Moreover, a lot of theoretical writing I appreciate highly and consult frequently comes from the closed system of academic networks. I would not want to miss it. And, speaking about my contribution to the conception of Performance Saga, I profited a lot from extensive reading and academic discussions of performance theory. In fact, it was from (by now canonical) performance theory that I learned that curiosity and professionalism do not necessarily exclude each other. I feel that any approach towards the history of performance art, be it by writing, talking or performing, gains its topicality and relevance only through the personal interest of the researcher/artist.

Taking the risk of being taken in by Floran Feigl and Otmar Wagner, or stepping on their toes: I consider the methods and categories of their (personal) ‘Encyclopaedia of Performance Art’ of no use value for third parties. In my opinion, it is precisely the mode of the merciless absurd claim of universality, which provokes protest and laughter at once, that attributes value to ‘The Encyclopaedia of Performance Art’; it raises tempers and fosters dialogues.

Katrin Groegel is the co-curator of Performance Saga.

DER WERT DER ENZYKLOPÄDIE DER PERFORMANCEKUNST Auszug aus dem Text der Performance von Wagner-Feigl-Forschung

Wagner- Feigl-Forschung, 'Die Enzyklopädie der Performancekunst ' at Performance Saga Festival - Bone 11, Schlachthaus Theater, Freitag 5 Dezember 2008. Photograph (c) Martin Rindlisbacher

Durch die Enzyklopädie der Performancekunst wird deutlich, dass jedes Material der Performancekunst selbst schon immer in hohem Maß vermittelt ist (siehe systematische Organisation) und zusätzlich meist in einer explodierenden Zahl von Beziehungen zu anderen Materialien steht. Es wird deutlich, dass die naive Verwendung eines Materials den spezifischen Qualitäten und Charakteristika nicht gerecht werden kann.

Entsprechend fordern wir für die Praxis, dass wenn sich ein Künstler entscheidet in einer Performance eine Tomate zu verwenden, er sich der Tatsache bewusst sein muss, dass Tomaten schon in 187 Performances vor ihm verwendet wurden. Nun ist nicht nur dieses Datum zu ertragen. Vielmehr wollen wir mit der Enzyklopädie ein Vorgehen bestärken, das exakt die persönlichen Impulse bestimmt, wenn eine Tomate verwendet werden soll; das exakt die künstlerischen Absichten bestimmt, wenn eine Tomate verwendet werden soll und exakt die spezifischen Kontexte des hier und jetzt bestimmt, wenn eine Tomate verwendet werden soll. Die Jagd nach dem Neuen ist genauso uninteressant, wie eine Hitliste der meist verwendeten Materialien und Handlungen.

Das von der Wagner-Feigl-Forschung eingeschlagene Vorgehen und die daraus abgeleiteten Forderungen für eine zeitgenössische Performancepraxis, haben gewisse Parallelen in der wissenschaftlichen Methodik. Allerdings hat die Wissenschaft häufig einen selektierenden und isolierenden Blick auf den Gegenstand ihrer Beschäftigung, der es schwierig macht, die Performancekunst in ihrer Komplexität zu erfassen.
Die wissenschaftliche Analyse bezieht sich meist auf einen Ausschnitt, auf wenige
gesehene oder auf wenige durch Vermittlung bekannte Performances. Dafür gibt es mehrere Gründe. Performances werden besprochen und analysiert:
- Weil sie gut dokumentiert sind
- Weil sie in aggressive Marketing- und Publikationsstrategien eingebunden sind (sei es durch spektakuläre Selbstvermarktung der Künstler oder durch Investitionen von Künstlervermarktern mit Gespür für Trends)
- Weil sie von Künstler-Wissenschaftler-Allianzen, die sich aus Freundschaftsnetzwerken herauskristallisieren, profitieren
- Weil Wissenschaftler häufig auf ihr eigenes System rekurrieren, also voneinander
abschreiben.

Durch diesen ausschließenden Rekurs auf die immer selben Performances schafft sich die Wissenschaft Exklusivität.

Zum anderen wendet sich die Enzyklopädie gegen das, was wir das Exklusivitätsprinzip in der Theorie nennen. Dieses Exklusivitätsprinzip zeigt und vollzieht sich auf dreifacher Ebene:
- Exklusive Beschränkung auf (aus kunsthistorischen Gründen oder durch Trends) „vermittelte“ performative Arbeiten
- Exklusive Erörterung exklusiv gesehener Performances
- Exklusive sprachliche Vermittlung („Geheimwissenschaft“ für Eingeweihte)

Die Wagner-Feigl-Forschung fordert mit der Enzyklopädie ein Denken in Zusammenhängen, das die einfache Koordinierung und Hierarchisierung von Differenzen unterläuft. Vorgänge, die letztlich der ökonomischen, politischen, ideologischen Kontrolle der Performancekunst dienen. Vorgänge die jede Performance letztlich zu einem leblosen Event verkrüppeln und jedes mögliche Konfliktpotential, wie es jedem einzelnen Material und jeder einzelnen Handlung der Performancekunst innewohnt, ausschließen.

Die Enzyklopädie ist somit neben ihren Beiträgen für den Gebrauch von Praktikern und Analytikern auch zu verstehen als der Versuch, der Performancekunst ihre Sprache zurückzugeben.

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The Value of ‘The Encyclopaedia of Performance-Art’
Excerpt from the Performance Script by Wagner-Feigl-Forschung/ Research

The Encyclopaedia’s systematic organization is an expression of a massively contextualizing approach towards performance art. It unveils the complex intra- and inter-relationships so far researched in the field of, and by and through performance art. These relationships we understand as well in the historical dimension – as threads of traditions, which specific materials and practices developed within the performance art. We want to point out, that the naive approach, or a decision to use something, just because of a superficial sympathy or its splendid features, denies the implicit logic and aesthetic qualities of a specific material or specific practice.

This means very concretely that if one decides to use a tomato in a performance, one has to acknowledge that tomatoes have already been used in any number and modes of performance, which would mean surveying quite a number of contemporary works that apparently attempt to reinvent the world. We want the Encyclopaedia to encourage a careful approach to research where the exact individual intention, motivation and contexts of, for example, tomato use in performance can be made clear. We are in no way trying to suggest that performances that utilize certain materials or practices cannot be reproduced because they have been done already.

What we demand for artistic practice has certain parallels in scientific and analytical methods. But common analytical approaches often produce a selective and isolating focus on the item of their research, which makes it practically impossible to gain an understanding of performance art in all its complexity. Theoretical analysis often relates itself to certain aspects or focuses on a few selected performances that are either extensively documented or personally witnessed by the scholars. This is for various reasons: often performances are reviewed and analysed, because
a) they are well documented; and/ or
b) they are supported by aggressive strategies of marketing and publicity (for example the spectacular self-marketing of singular artists; and/ or the investments of art producers with a sense of trends); and/ or
c) they are benefiting from artist/ scientist alliances, which grow out of friendship networks; and/ or
d) theoreticians and scientists are referring to their own system of references which means that they are copying each other.

Another aspect of this repetitive reference towards the same selected performances is the exclusiveness of theory and analysis.

This principle of exclusiveness shows off on three different levels:
a) exclusive self-limitation on few mediated performances (for art historical reasons, or because of certain trends);
b) exclusive discussion of exclusively seen performances; and
c) exclusive mediation (secret sciences for initiated ones).
In opposition to such approaches 'The Encyclopaedia of Performance Art' aims at a complete collection of all performances ever performed.

'The Encyclopaedia of Performance Art' creates ever-new contexts and ever more relationships which undermine a simplistic co-ordination and hierarchy of differences. Thus it undermines processes that intend – consciously or unconsciously – nothing less than to control performance art on the levels of economy, politics and ideology. Processes, which cripple performance art, make for deadening events and deny the creative forces of discovery, the onset of innovation and the creative potentials of conflict inherent in each and every material and practice of performance art.

Thus the Encyclopaedia, besides its use value for artists and scientists, has to be understood as an attempt to return to performance art its own unique and creative language.